Jamaika-Koalition verabredet "Deponie-Lösung"
Im Koalitionsvertrag der neuen schwarz-gelb-grünen Landesregierung steht es schwarz auf weiß: "Die Deponierung von freigemessenen Abfällen soll in qualifizierten Deponien erfolgen."
Robert Habeck, der alte und neue schleswig-holsteinische Umweltminister, hat sich in einer politisch brisanten Frage den Rückhalt seiner neuen Koalitionspartner gesichert – den möglichen Schaden teilen sich die Grünen dann im Zweifel mit der CDU und der FDP. "Deponierung von freigemessenen Abfällen" will heißen, dass das Recycling und die Verbrennung von radioaktivem Abrissmaterial nicht infrage gestellt werden – an der geplanten abfallrechtlichen "Entsorgung" wird also nicht gerüttelt. Die Bezeichnung "qualifizierte Deponien" bezieht sich nach bisherigem Kenntnisstand auf die bereits ausgewählten sieben Deponien in Schleswig-Holstein.
Wie konventionelle Bauschutt-Deponien eine Qualifizierung für die Ablagerung von radioaktivem Müll erreichen, bleibt rätselhaft.
Das Erstaunliche an der Verankerung der "Deponie-Lösung" im Koalitionsvertrag ist der Umstand, dass Robert Habeck seit nunmehr sechs Monaten vorgibt, einen ergebnisoffenen Dialog zu Lagerungsalternativen für gering radioaktive Abfallstoffe zu führen – dies im Rahmen eines in Kiel tagenden Arbeitskreises mit verschiedenen Interessengruppen.
Bislang viermal hat sich der Arbeitskreis rund um Robert Habeck und seinen zehnköpfigen, ministerialen Begleitstab seit vergangenem Dezember getroffen. Der schleswig-holsteinische Städte- und Gemeindetag, Entsorgerverbände, AKW-Betreiber und Umweltverbände durften jeweils zwei VertreterInnen entsenden. Die Teilnahme von Bürgerinitiativen wurde auf Anfrage abgelehnt und auch die Gemeinden an den Deponiestandorten schloss Habeck von den Gesprächen aus.
Mit den Festsetzungen im Koalitionsvertrag führt der grüne Minister seinen vermeintlichen Dialogvorstoß nun endgültig ad absurdum.
Denn abgeschlossen ist die Bewertung der alternativen Lagerungskonzepte keinesfalls. Nach Informationen aus dem Arbeitskreis wurden weder unabhängige Experten angehört, noch wurden Gutachten und Machbarkeitsstudien in Auftrag gegeben. Spätestens mit dem Jamaika-Koalitionsvertrag liegt der Verdacht nahe, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Arbeitskreises mit der geballten Überrepräsentanz des Ministeriums (MELUR) auf Kurs gebracht werden sollten - Zielrichtung sind die Inhalte der "Entsorgungsvereinbarung", mit der Habeck im Sommer 2016 in Schleswig-Holstein auf breite Ablehnung stieß.
Eine Belastungsminimierung setzt politischen Gestaltungswillen voraus.
Der AKW-Abriss werde entlang der gesetzlichen Vorgaben und der Bestimmungen des Strahlenschutzes erfolgen. Gleichwohl wolle die Koalition darauf hinwirken, dass die Belastung für die Bevölkerung minimiert werde. So steht es im JAMAIKA-Vertrag und so hat Habeck es auch schon im vergangenen Jahr runtergebetet. Eine Reduzierung der Belastung für die Bevölkerung ist aber nur möglich, wenn gesetzliche Vorgaben (Freigaberegelung/Grenzwerte) verändert werden und/oder radioaktiv belastetes Material abgeschirmt, rückholbar und atomrechtlich überwacht gelagert wird – das schließt eine Beseitigung nach dem Abfallrecht (Recycling, Verbrennung, Deponie) aus. Wenn Habeck also eine Belastungsminimierung anvisiert, darf sich die betroffene Bevölkerung an den Deponiestandorten womöglich "BigBags" (Kunstfasersäcke) vorstellen oder abgetrennte Deponie-Bereiche – "Beruhigungspillen", die dem nötigen Anspruch an Schutz und Sicherheit nicht gerecht werden.
Entsorgungsvereinbarung Plus: Alter Inhalt – neuer Name?
Sowohl die Aussagen im Koalitionsvertrag als auch die Verfahrensweisen in Robert Habecks Arbeitskreis zeigen deutlich, dass der Umweltminister kein Stück von der planmäßigen abfallrechtlichen Verwertung und Beseitigung von radioaktiven Stoffen abgewichen ist – möglichst ohne Deponieanweisung und ohne politisch Schaden zu nehmen. Alle vermeintlichen Vorstöße Habecks, die mal als "Transparenzinitiative", mal als "ergebnisoffener Dialog auf Augenhöhe" und mal als "Alternativenprüfung" daherkommen, sind wohl nichts weiter als leeres Kampagnengeratter. Dazu verrät uns ein Blick ins Marketinghandbuch, dass "verunglückte" Marken umbenannt werden sollten. Die "Entsorgungsvereinbarung" ist politisch verbrannt: Ein neuer Name muss her – wir sind sehr, sehr gespannt ...
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